Diese Gedenkseite ist Christian gewidmet.
Sie zeigt den Kampf unserer Familie: Kampf ums Überleben, Kampf gegen das Vergessen von Christian, Kampf gegen die Ungerechtigkeiten, Kampf gegen Unverständnis, Ignoranz, Unachtsamkeit.
Gleichzeitig soll sie auch Mahnung sein, sorgsam mit menschlichem Leben umzugehen und sie soll aufrufen, sich verantwortlich zu fühlen, Verständnis und Toleranz zu üben.
Den 10. Todestag von Christian haben wir als Anlass für diese Internetseite gewählt. Die „runden“ Zahlen stehen oft im Mittelpunkt des menschlichen Lebens. Warum nicht auch ein „runder Todestag“?
Wir möchten uns bei all den Menschen bedanken, die uns in diesen 10 Jahre begleitet oder verlassen haben. Wir haben von Euch allen lernen dürfen.
10 Jahre sind vergangen. Viele meinen, das sei eine lange Zeit. Zugegeben, auch wir können an manchen Tagen die Ereignisse mit einem gewissen „Abstand“ betrachten, an anderen Tagen ist es, als sei es gerade erst passiert. Wie oft haben wir gehört, es sei Zeit, den Tod von Christian zu „verarbeiten“.
Besonders mir als Mutter wird das oft vorgeworfen. Ich müsse Christian „loslassen“, Frieden schließen zwischen ihm und mir. Dann erst könne auch Christian in Frieden ruhen.
Wie macht man das: Den Tod des eigenen Kindes verarbeiten, Frieden schließen? Das hat mir keiner erklärt. In vielen schlaflosen Nächten denke ich darüber nach. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, nicht ich soll meinen Frieden finden, sondern die „anderen“ wollen ihre Ruhe haben.
Wie wäre es sonst zu erklären, dass gerade diese Menschen mit ihren Ratschlägen uns keine konkrete Hilfe angeboten haben, nicht bei uns geblieben sind, vielleicht nur mal zugehört hätten?
Der Tod Christians war nur ein Augenblick, der tote Christian ist unser Leben.
Es hat mich krank gemacht, die Wanderung zwischen den Wünschen und Vorstellungen der „Außenstehenden“ und meinen persönlichen Empfindungen. Es ist unmöglich, so zu sein, dass andere Menschen von meiner Trauer nichts spüren. Ich bin still geworden, damit sie ihren „Seelenfrieden“ finden. Erst kürzlich wurde mir wieder gesagt: „Das menschliche Leben wird durch andere Menschen bestimmt. Das müsse man eben akzeptieren“.
Ich bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn ich feststelle, dass ich anders denke. Dann möchte ich denen zurufen: Erfahrungen sind erst die eigenen, wenn man sie selbst gemacht hat!. Doch ich traue mich oftmals nicht mehr.
Wie kann man den Tod des eigenen Kindes „Verarbeiten“ wenn noch so viele Fragen offen sind:
Was begleitete uns die vielen Jahre?
- Das Leben geht weiter
- Auch wenn Ihr Christian nicht mehr sehen könnt, anfassen könnt, riechen könnt, hören könnt, er ist doch in euren Herzen
- Ach, reden sie doch mal von was anderem
- Ihr habt doch noch ein Kind
- Wer weiß, was ihm alles erspart geblieben ist
- Das ist nun euer Schicksal…
und wie begegnete man uns?
- Menschen, die uns kennen, haben die Straßenseite gewechselt, um uns nicht zu treffen
- sie gingen im Einkaufsmarkt an eine andere Kasse, als ich mich hinter sie stellte
- oder sie haben gänzlich den Kontakt mit uns abgebrochen
Ein Herz kann man nicht abhärten und empfindungslos machen. Es lässt sich auch nichts vorschreiben. Christian muss ein Bestandteil unseres Lebens bleiben, wie Eure Kinder ganz selbstverständlich ein Bestandteil von Euch sind.
Sehr schwierig sind für uns die Feiertage, Geburtstage und Todestage. Besonders in der Weihnachtszeit hört man die Rufe nach Toleranz und Verständnis, für die, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Gerade da bleiben wir besonders allein.
Die Folgen einer Extrembelastung wie der Tod eines Kindes sind vielfältig (Verlust an Lebensfreude, ängstliche Unruhe, zermürbende Schlafstörungen, Angstträume, Schreckhaftigkeit, Angstattacken, Missempfindungen und Schmerzen, Konzentrationsstörungen, Schuldgefühle). Auch wir sind davon nicht verschont geblieben.
Am schlimmsten empfanden wir das kurz aufwallende Mitgefühl der Umgebung einschließlich nahe stehender Menschen und die darauf folgende Stille. Es entstand das Gefühl, wir belasten die anderen mit unserer Trauer unnötig. Alle kehren zum Tagesgeschäft zurück und das erwartet man auch von uns. Aber der eigentliche Grund ist die Unfähigkeit der Beteiligten, sich solche Situation überhaupt vorstellen zu können, geschweige denn zu helfen.
Und diese Belastungen haben natürlich auch Auswirkungen auf die berufliche Situation. Welcher Arbeitgeber bringt Verständnis für Leistungsabfall und Arbeitsausfall auf, vielleicht auch über eine längere Zeit? Heute muss man dynamisch sein, jung bleiben, leistungsstark sein und in die vorgegebenen betrieblichen Strukturen passen. Der Arbeitsmarkt ist gnadenlos. Mein Mann hat es erfahren.
Und ich (Mutter von Christian) bin im öffentlichen Dienst bei einem Amtsgericht ( mittlerer Dienst) beschäftigt. Mir ist eine Beförderung bislang verwehrt worden, weil ich die bestehenden Beförderungsrichtlinien nicht 100% ig erfülle. Da interessiert es auch niemanden, dass ich bei Dingen, die mir möglich sind, mehr leiste, als andere. In der Begründung hieß es: Aus Gleichbehandlungsgründen können dabei persönlich und soziale Aspekte….nicht berücksichtigt werden. Ja, Gerechtigkeit muss sein. Im Gegensatz dazu erlebe ich tagtäglich, welche Unterstützung Bürger bei uns bekommen können .
Im Sommer 2001 ist unsere kleine Familie umgezogen, ins Randgebiet von Leipzig. Christian ist mit uns gekommen.
Dies ist nun die Gelegenheit, uns bei den Menschen zu bedanken, die uns geholfen haben, so dass es irgendwie weiterging. Dazu zählt auch unsere Selbsthilfegruppe der „Verwaisten Eltern“ in Leipzig. Mit diesem Foto stelle ich uns alle vor.
Verwaiste Eltern in Deutschland finden Hilfe im Bundesverband der verwaisten Eltern e.V.
Mit dieser Internetseite haben wir unserem Sohn seinen Namen und seinen Platz in unserem Leben wiedergegeben.
Christian, wir sind stolz auf Dich und wir vermissen Dich so sehr.
Und ein besonderes „Danke-schön“ gilt auch unserem jüngeren Sohn Martin. Der Tod von Christian hat ihn geprägt und ihm ein Stück seiner Kindheit geraubt. Martin hat sein Abitur mit guten Leistungen bestanden und ist heute als Physiotherapeut tätig.
Wir sind stolz auf Dich – Martin – und freuen uns, dass wir so einen liebenswerten Sohn haben.
Kinder ändern alles, besonderes wenn sie sterben
Wer das versteht, der weiß,
wie es war
wie es ist
wie es sein wird
mit und ohne Christian.
Renate, Peter und Martin Stöbe