Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich gegen folgende Beteiligte:
1. Oberleutnant B.- Kompaniechef und Leitender Nachtschießen
2. Oberleutnant M.- Sicherheitsoffizier
3. Feldwebel D. – Warteposition
4. Hauptgefreiter U. – Gruppenführer
5. Flieger F. – 1. Schütze
6. Flieger D. – 2. Schütze
In Betracht kommende Strafvorschriften für die Beschuldigten zu 2, 3, und 4
Fahrlässige Tötung durch Unterlassen:
„….nicht festgestellt werden kann, dass sie gegen normierte militärische Vorschriften oder vom Leitenden oder dem Sicherheitsoffizier gegebene Befehle verstoßen haben….“.
Gehorsamverweigerung gemäß § 20 WStG (Wehrstrafgesetz)
„Die Verweigerung der Befolgung eines Befehls kann bereits nicht festgestellt werden.“
Leichtfertiges Nichtbefolgen eines Befehls nach § 21 WStG
„Auch nach dieser Vorschrift kann den Beschuldigten kein strafrechtlich beachtlicher Vorwurf gemacht werden,…“
Mangelhafte Dienstaufsicht gemäß § 41 WStG
Unterlassene Beaufsichtigung der Rekruten durch einen der Beschuldigten ist nicht festzustellen, so dass auch nach dieser Vorschrift hinreichender Tatverdacht nicht besteht.
Bezüglich des Beschudigten zu 3 sähe das Ergebnis der Prüfung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs nach § 222 StGB dann anders aus, wenn feststünde, dass er auf die gezielte Frage der Beschuldigten zu 5 und 6 ob die Position, in der sie sich befanden, bereits der „Kampfstand“ sei, mit „JA“… geantwortet hätte. Der Beschuldigte selbst hat sich zu diesem Punkt nicht geäußert.
Fahrlässigkeitsprüfung bzgl. des Beschuldigten zu 1:
Objektive Pflichtwidrigkeit liegt in zweifacher Hinsicht vor: In dem Nichtbeachten der militärischen Vorschrift, dass die Soldaten sämtlich fluoreszierenden Warndreiecke auf dem Rücken zu tragen hatten.
Hier scheitert der Fahrlässigkeitsvorwurf an der Ursächlichkeit für das schädigende Ereignis, weil nicht festgestellt werden kann, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beide Soldaten das Feuer nicht eröffnet hätten, wenn dieses Warndreieck von den getroffenen Soldaten getragen worden wäre.
und
liegt sie in dem Unterlassen, die Vorschrift nicht befolgt zu haben, bei einem Schießen mit eingeschränkter Sicht die Soldaten vorher mit Blick in das Gelände in die Geländegegebenheiten einzuweisen.
…..dennoch ist der Beschuldigte nicht der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen hinreichend verdächtig. Nach der Rechtssprechung wird gefordert, dass die vom Täter erwartete Handlung den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte……
Das Verfahren gegen die Beschuldigten 1 bis 4 wird daher aus den vorgenannten Erwägungen nach § 170 Abs. II StPO (Strafprozessordnung) eingestellt.
Aus nachträglicher Sicht des ermittelnden Staatsanwaltes ergaben sich für die Soldaten 1 bis 4 jedoch verschiedene Umstände, die sie bei sorgfältiger Abwägung hätten veranlassen müssen, bestehende und erkennbare Risiken für die Sicherheit der übenden Soldaten durch Anordnungen und Befehle auf ein Minimum zurückzuführen.
Das sind
- die äußeren Bedingungen für das Schießen
Die Rekruten waren seit 03:00 Uhr morgens wach, so dass durch Müdigkeit, und sinkende physiologische und psychische Verfassung durch kalte bis sehr kalte Tages- und Abendtemperaturen die Aufmerksamkeit herabgesetzt wurde
- der objektiv ungünstige Befehl des frühzeitigen Anlegens des Gehörschutzes
Die akustische Wahrnehmung von Belehrung und Anordnungen war behindert.
- der objektiv ungünstige Umstand
dass nicht noch einmal alle Funktionsträger darauf hingewiesen wurden, die Rekruten unbedingt in alle Einzelheiten des Ablaufes des Nachtschießens noch einmal einzuweisen. Es lag auf der Hand, dass es dem Beschuldigten Oberleutnant B. am Antreteplatz nicht gelungen sein konnte, alle etwa 170 Soldaten mit seinen Worten zu erreichen.
- der objektiv fatale Umstand
dass sich Tag und Nachtschießen wesentlich unterschieden, insbesondere die Einrichtung einer Warteposition
- der objektiv taktisch zwar richtige
aber ungünstige Umstand, dass das auf die Wartelinie nachrückende Rennen sich dort bereits auf die Bahnen 1 – 6 zu je 2 Soldaten verteilt hatte
- die Tatsache,
dass den Soldaten nicht mit der erforderlichen Klarheit die Begriffe „Kampfstand“ und „Wartelinie- oder Position“ erklärt worden waren. Bei der Breite des Geländes, auf der sich die 12 Soldaten auf 6 Bahnen zu je 2 Soldaten verteilt hatten (ca. 60 m) war es dem Beschuldigten Feldwebel D. angesichts der völligen Dunkelheit nicht mehr möglich festzustellen, wie die Soldaten sich auf den äußeren Bahnen verhalten würden.
Dies kennzeichnet nur einmal mehr die Unzulänglichkeit menschlichen Wirkens in Gefahrensituationen… Die Umstände und die Versäumnisse als „menschliches Versagen“ oder „Verkettung unglücklicher Umstände“ zu bezeichnen, wird der Beurteilung allein nicht gerecht. Allen Soldaten vom Führungspersonal muss eine erhebliche Mitverantwortung an dem Unglück angelastet werden…
Ermittlungen zu den Beschuldigten zu 5 und 6
Der Beschuldigte zu 5, Flieger F., hat in der Vernehmung angegeben, dass er seine Waffe mit Kreide gekennzeichnet hätte. Die Untersuchung beider Waffen hat ergeben, dass aus dem Gewehr mit Kreideanhaftung der tödliche Schuss abgegeben wurde.
Abschließend wurde festgestellt, dass nicht geklärt werden konnte, ob die Verletzungen der Schießaufsicht, des Soldaten S. dem Beschuldigten zu 5, Flieger F. oder zu 6, Flieger D. zuzurechnen ist.
Deshalb wurde das Verfahren gegen den Beschuldigten Flieger D. eingestellt.
Im Ergebniss der staatsanwaltlichen Ermittlungen wurde gegen den Beschuldigten Flieger F. Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben.